Das Institut zur Geschichte von Naturwissenschaften und Technik (IGNT)

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Energetik und Atomistik: Quellen zur Lübecker Kontroverse von 1895  

 

Die Energetik-Atomistik-Kontroverse ist das Musterbeispiel interdisziplinären Ringens um die Lösung eines grundlegenden Problems in der Naturwissenschaft. Sie ist eng verknüpft mit der Herausbildung einer neuen Wissenschaftsdisziplin, der physikalischen Chemie, am Ende des 19. Jahrhunderts, und ist ganz wesentlich mit der Universität Leipzig verbunden. Sie ist somit ein Schwerpunktthema der 1998 in Leipzig gegründeten Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e. V., die sich in ihrer Satzung der Interdisziplinarität verschrieben hat.

Natürlich setzt ein aktuelles Analysekonzept das Quellenstudium der von Ostwald, Arrhenius und van `t Hoff geförderten Entwicklung der Physikalischen Chemie voraus. Das Gelehrten-Trio hat nicht nur eine wissenschaftliche Zeitschrift für die neue Disziplin gegründet. Insbesondere Ostwald hat auch den interdisziplinären Disput mit den Vertretern der Mutterdisziplinen Chemie und Physik geführt. Er glaubte dabei, in der phänomenologischen Energetik die methodische Grundlage einer Vereinheitlichung für die Physikalische Chemie gefunden zu haben. Sie war für ihn ein Weg in der Physikalisierung der damaligen Chemie. Dabei vertrat er fruchtbare, radikale und auch übertriebene Positionen der Energetik. Vor allem seine Atomismus-Kritik stieß auf den Widerstand des österreichischen Kinetikers und Atomisten Ludwig Boltzmann, bevor dieser von 1900 bis 1902 auf Ersuchen Ostwalds selbst in Leipzig wirkte.

In diese Zeit fällt bereits die sachliche Lösung der Probleme. Als Höhepunkt der Kontroverse gilt indess Ostwalds Vortrag von 1895 auf der Lübecker Versammlung der Naturforscher, Boltzmanns Replik und der sich anschließende Disput in der Fachpresse. Dabei bleibt festzuhalten, dass es Boltzmann war, der das Thema „Energetik“ auf die Tagesordnung gesetzt hatte.

Eine aktuelle und umfassende wissenschaftsgeschichtliche Aufarbeitung, die nicht nur eine einfache Erfolgsgeschichte konstatiert, sondern auch die alternativen Ideen und Konzepte würdigt, erfordert selbstverständlich das Studium der Originalquellen. Dabei bleibt zu bedenken, dass Ostwald ein Begründer der Physikalischen Chemie war, und aus dieser Sicht heraus den Disput mit Kinetikern und Atomisten führte. Dies macht manche seiner Positionen verständlicher.

Zwei der größten Physiker sind zu nennen, die wesentlich zu einer konstruktiv-kritischen Aufarbeitung der Energetik-Kontroverse beigetragen haben: Albert Einstein und Carl Friedrich von Weizsäcker. Einstein hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Energie-Masse-Äquivalenz formuliert und von Weizsäcker am Ende des 20. Jahrhunderts die Äquivalenz von Energie-Masse-Information postuliert. Daher sind die hier aufbereiteten Quellen ein wohlerwogener Startpunkt für die aktuelle Aufarbeitung der Energetik-Kontroverse im Sinne der Interdisziplinarität in den Naturwissenschaften. >>mehr     (W. Eisenberg)

Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 67. Versammlung, 1895, Teil 1, Allg. Sitzung

Annalen der Physik und Chemie 1896

Wiedergabe aller Scans mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Leipzig

Weiterführendes


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